Wann machen Führungsworkshops bessere Führungskräfte?
von Roland Kämpf, Juni 2023
In den letzten 30 Jahren habe ich an unzähligen Führungsworkshops teilgenommen. Nur gerade zwei dieser Workshops konnten jedoch meine Erwartungen erfüllen. Alle andern empfand ich als Zeitverschwendung. Mein schlimmstes Workshop-Erlebnis war, als der Referent mehr Clown als Experte war. Vielen Referenten fehlte es an praktischer Erfahrung. Aus meiner Sicht reicht eine gute pädagogische Ausbildung allein nicht, um Führungskräften nutzbringende Tipps zu geben.
Referenten
Referenten, die selbst mehrere Jahre in einer Führungsfunktion tätig waren, kennen die Sorgen und Probleme des Führungsalltags. Man erkennt sofort, ob jemand aus dem Elfenbeinturm heraus doziert oder selbst einmal mitten im Geschehen stand. Ich will hier keineswegs gegen die wertvollen pädagogischen und methodischen Grundlagen sprechen, aber von Referenten erwarte ich – nebst pädagogischem Wissen – Erfahrung in der Problem- und Konfliktlösung. Da sind praktische Erfahrungen aus dem Alltag gefragt: Wie geht man beispielsweise vor, wenn sich ein Gespräch mit einem Mitarbeiter – trotz fundierter Vorbereitung – zu einem Konflikt entwickelt? Wer selbst schon ein solches emotionales Gespräch hautnah miterlebt hat, lernt aus solchen Ereignissen und entwickelt entsprechende Strategien. Verschiedene Führungssituationen führen zu wertvollen Erfahrungen, die man als Referent mit den Führungskräften teilen kann.
Fallbeispiele
Wie oft habe ich mich an Workshops über praxisferne Fallbeispiele geärgert. Wenn ich in einer Produktionsfirma arbeite, sind Beispiele aus dem Dienstleistungsbereich befremdend und wenig hilfreich. Referenten, die sich mit den Produkten und Gegebenheiten ihrer Kundschaft nicht auseinandersetzen, sind schlecht vorbereitet. Auch Referenten, die sich bei der HR-Abteilung vorgängig nicht nach möglichst authentischen Fallbeispielen erkundigen, sind zu wenig praxisnah. Wirkungsvoll wären Beispiele aus dem Führungsalltag, die man aufschreiben und als Rollenspiel nachspielen könnte.
Gruppenworkshops
Bei durchmischten Gruppenworkshops mit verschiedenen Kaderstufen sind Vorkenntnisse und Erfahrungen der Teilnehmenden häufig unterschiedlich. Eine gute Referentin, informiert sich im Vorfeld über die einzelnen Workshopteilnehmenden. Im Zweifel bildet sie Gruppen gemäss Hierarchiestufen. Letztendlich investiert jedes Kadermittglied seine wertvolle Zeit und erwartet vom Workshop einen entsprechenden Gegenwert. Gerade bei Gruppenworkshops mit dem kompletten Kader, sorgt ein guter Referent dafür, dass der Workshop nicht zu einem Tribunal wird. Das mittlere Kader, fühlt sich durch die Anwesenheit ihrer Chefs häufig unsicher und teilweise unter Druck gesetzt. Mir grauste es zu Beginn meiner Laufbahn, an solchen Workshops teilzunehmen, denn sie kamen mir vor wie Veranstaltungen, wo die «grossen Chefs» wie Juroren die Szenerie beobachteten und sich Notizen machten. Die Gesichtsausdrücken der Chefs sprachen jeweils Bände. Da hilft es, sich in Erinnerung zu rufen, dass man ja einmal in diese Kaderfunktion berufen wurde, weil man so ist wie man ist. Sich bei jeder Übung zu fragen, was jetzt der Chef hören möchte, hilft vielleicht kurzfristig, aber langfristig wird man damit scheitern – wer eine andere Führungskraft kopiert, wirkt nicht authentisch und handelt gegen sein Naturell. Am besten bleibt man sich selbst und offen für Ratschläge. Als ich später selbst zu den «grossen Chefs» gehörte, ertappte ich mich, wie auch ich beobachtete und bewertete. Deshalb empfehle ich, die unterschiedlichen Kaderstufen nicht bei jeder Übung zu durchmischen.
Wahl der geeigneten Referenten
Anbieter für Führungsworkshops gibt es unzählige. Allein bei Google erscheinen rund 15'000 Einträge zu diesem Thema. Diese Workshops plus die Arbeitszeit der Teilenehmenden sind teuer. Eine sorgfältige Auswahl der Workshop-Leitung ist deshalb zentral:
· Thema: welches Thema soll geschult werden? Es lohnt sich, Schwerpunkte zu setzen: Beispielsweise: Schulung von konkreten Gesprächssituationen (Kritik, Kündigung, Beurteilung)
· Bildungsnachweis Referent: Wie und wo hat sich der Referent seine pädagogischen Fähigkeiten angeeignet?
· Praktische Führungserfahrung: Wie viele Jahre hat der Referent selbst als Führungskraft gearbeitet?
· Fallstudien: Wie sehen die Fallstudien aus, werden sie auf die bevorstehende Aufgabe angepasst oder werden generalisierte Beispiele verwendet?
· Analyse nach Zielgruppen: Wie löst die Workshop-Leitung das Problem mit den unterschiedlichen Vorkenntnissen?
Die sorgfältige und richtige Auswahl eines geeigneten Referenten führt zu lehrreichen Workshops, welche Führungskräfte stärken können im anspruchsvollen Führungsalltag.