Gestern noch Fachkraft, heute plötzlich Chef 

von Roland Kämpf, Mai 2023

Vier Tipps für Nachwuchs-Führungskräfte

Ich erinnere mich noch gut, als ich vor 35 Jahren zum ersten Mal Chef wurde. Mein damaliger Vorgesetzter verliess die Firma innerhalb einer Woche und der Geschäftsführer fragte mich, ob ich die freigewordene Stelle annehmen wolle. Ich musste nicht lange überlegen und habe zugesagt. Ich war jedoch nicht vorbereitet auf diese neue Rolle. 

Dies ist eine typische Situation wie sie – gerade in kleineren und mittleren Unternehmen (KMU) - sehr häufig vorkommt. Eine gute Fachkraft wird zur Führungskraft befördert und muss sich nun mit diesem Funktionswechsel auseinandersetzen. 

Bleiben Sie sich selbst

Berufseinsteiger vertiefen in der Praxis ihr Fachwissen und entwickeln sich allmählich zu Fachkräften. Die Entwicklung von der Fach- zur Führungskraft erfolgt ähnlich und ist geprägt durch Trial and Error (Versuch und Irrtum). Sie müssen rasch lernen, was funktioniert und was nicht. Ein verständnisvoller Vorgesetzter kann Ihnen dabei helfen. Versuchen Sie nicht jemanden zu kopieren. Ihre Mitarbeitenden werden es merken, wenn Sie in eine fremde Rolle schlüpfen. Verbiegen Sie sich nicht. Sie wurden ausgewählt, weil Sie so sind wie Sie sind.

Überlassen Sie operative Fachaufgaben Ihrem Team

Gerade Nachwuchs-Führungskräfte tun sich zu Beginn schwer mit ihrer neuen Rolle. Sie können die alten Aufgaben schlecht loslassen. Viele Einsteiger denken, Sie hätten zu ihrem eigentlichen Job noch den Führungsjob hinzubekommen. Diese Denkhaltung sollte man frühzeitig ablegen und sich vielmehr darüber Gedanken machen, welches die eigentlichen Kernaufgaben sind. Diese können sein:

·       Ergebnissteuerung

·       Ressourcensteuerung

·       Mitarbeiterführung

Es hilft, diese Kernthemen mit dem Vorgesetzten abzusprechen, damit keine Missverständnisse darüber entstehen, was von Ihnen erwartet wird. Sind diese festgelegt, sollten Sie 80 Prozent Ihrer Zeit diesen Themen widmen. Alle übrigen Aufgaben, welche Sie nicht in 20 Prozent Ihrer restlichen Zeit erledigen können, lassen Sie weg. Entweder können Sie diese Aufgaben Ihren Mitarbeitenden delegieren, oder Sie müssen dafür sorgen, dass Ihnen diese Aufgaben jemand abnimmt. Wenn Sie dies nicht schaffen, werden Sie bald überlastet und gestresst sein. 

Lassen Sie sich keine Aufgaben aufschwatzen

«Guten Morgen Chef, hätten Sie kurz Zeit?» Diesen Satz kennt jeder Vorgesetzter. Es geht darum, dass Ihnen ein Mitarbeiter ein Problem aufbürden will. Mitarbeitende sind in der Regel sehr kreativ, wenn es darum geht beim Chef unangenehme Aufgaben abzuladen. 

Hilfestellung ist erlaubt, aber sagen Sie niemals: «Lassen Sie das Dossier hier, ich werde mir das Problem einmal anschauen». Wenn Sie dies nicht frühzeitig unterbinden, werden sich die Dossiers auf Ihrem Schreibtisch stapeln und Ihre Tage werden länger und länger.  

Lassen Sie solche Gedanken vorüberziehen

Wie oft kam ich am Abend völlig ausgelaugt nach Hause und habe mich gefragt, was ich eigentlich den ganzen Tag gemacht habe. Solche Gedanken verführten mich dazu, am nächsten Tag irgendeine operative Fachaufgabe zu übernehmen – die auch andere hätten erledigen können – nur um wieder einmal das Gefühl zu haben, etwas Konkretes erledigt zu haben. Lassen Sie das. Gewöhnen Sie sich daran, dass der Wert Ihrer Tätigkeit nicht immer offensichtlich ist.