Über Ampelsysteme und Wassermelonen im Projektmanagement
von Roland Kämpf, April 2023
Das Ampelsystem
Das Ampelsystem ist eine Anlehnung an die Lichtsignalanlage, wie sie im Strassen- und Schienenverkehr zur Steuerung des Verkehrs genutzt wird. Schon 1869 wurde in London die erste Verkehrsampel mit roten und grünen Gaslichtern aufgestellt. Später kam noch die Farbe Gelb dazu. Mit Hilfe der Ampelfarben Rot, Gelb und Grün wird heute gerne der Status eines Projekts bewertet. Gerade in der Einfachheit dieses Konzeptes liegt jedoch die grosse Herausforderung.
Grün
Sucht man nach der Bedeutung der Farbe Grün, wird deutlich, dass Grün als eine positive Farbe wahrgenommen wird. Ähnlich positiv wird im Strassenverkehr die «grüne Welle» von den Verkehrsteilnehmern wahrgenommen. Somit verwundert es nicht, dass die Farbe Grün im Statusbericht auch positive Signale aussendet. Grün bedeutet, das Projekt läuft nach Plan und wird liefern, was es verspricht.
Gelb
Gelb ist die Farbe der Hoffnung. An der Lichtsignalanlage hofft der Fahrzeuglenker, dass er noch schnell über die Kreuzung brausen kann. Die Farbe Gelb wurde ursprünglich als Übergang zwischen Grün und Rot eingeführt und signalisiert dem Fahrzeuglenker, dass er anhalten soll, wenn dies noch möglich ist. Ähnlich verhält es sich beim Statusbericht. Gelb ist auch hier als Übergang von Grün auf Rot gedacht. Mit der Farbe Gelb signalisiert der Projektleiter, dass es Planabweichungen gibt - diese jedoch innerhalb des Projektteams lösbar sind.
Rot
Rot steht für Gefahr. An der Lichtsignalanlage gibt es bei Rot keinen Spielraum – Rot heisst Stopp. Beim Statusbericht gibt es bei Rot ebenfalls keinen Auslegungsspielraum. Rot signalisiert Planabweichungen, welche nicht mehr innerhalb des Projektteams händelbar sind und die Unterstützung des Lenkungsausschusses benötigen.
Klare Spielregeln
Aus eigener Erfahrung weiss ich, dass die Ampelfarben vom Projektmanager oft ohne konkrete Anleitungen eingeführt werden. Und dies mit der Begründung, dass die Farben ja für sich selbst sprechen würden. Dies führt jedoch zu einer subjektiven Bewertung der Ampelfarben durch die Projektmitarbeiter. Auch die kurzen Zusatztexte zu den Ampelfarben sind häufig zu schwammig und können individuell interpretiert werden. Um subjektive Bewertungen zu vermeiden, lohnt es sich, den Projektleitern Ampelsysteme mit klaren Spielregeln in die Hand zu geben – einfache und klar gesetzte Parameter definieren und konkretisieren die Farben.
Klar definierte Ampelsysteme gewährleisten die Objektivität des Statusberichts und bilden die Voraussetzung für einen offenen und transparenten Austausch zwischen Projektleiter und Führungsgremium.
Der Wassermelonen-Effekt
Regelmässig Statusmeldungen ausfüllen und verschicken ist das eine, dabei offen und ehrlich zu sein, das andere. Selbst bei klaren Spielregeln können Manipulationen nicht ausgeschlossen werden. Vor allem junge, ehrgeizige Projektleiter haben die Tendenz, ihre Probleme zu kaschieren und sagen sich: „Wir holen das schon noch auf!“ Sie stellen die Ampel auf Grün und täuschen damit den Lenkungsausschuss. Dieses Verhalten geschieht nicht böswillig, sondern mit der Überzeugung, dass sie die Planabweichungen durch Mehrarbeit wieder aufholen werden. Dies führt zum sogenannten Wassermelonen-Effekt – aussen grün, innen rot. Will man den Reifegrad einer Wassermelone erraten, greifen geübte Konsumenten zum Klopftest – reife und süsse Wassermelonen klingen hohler und dunkler als unreife Exemplare. Überreife Melonen beginnen von innen her zu faulen, unbemerkt, und ohne, dass sie einen Geruch verströmen. Auch beim Statusbericht wäre regelmässiges Klopfen und Abtasten hilfreich in Form einer konstruktiven und offenen Kommunikation zwischen dem Projektleiter und dem Führungsgremium.
Offene Fehlerkultur
Eine weitere Variante der Vernebelung entspringt den grossen Egos der Projektleiter. Gerade erfahrene Projektleiter sind oftmals sehr überzeugt von ihren Fähigkeiten und lassen sich bei der Arbeit nicht gerne über die Schulter schauen, lieber lösen sie ihre Probleme allein. Da wird gerne eine Ampel auf Grün gesetzt, um kritische Nachfragen zu vermeiden – und schon sind wir wieder beim Wassermelonen-Effekt.
Eine offene Fehlerkultur kann dem Kaschieren und Vernebeln von Problemen vorbeugen. Dabei braucht es Vertrauen und Verständnis von beiden Seiten.
Ein offener und fairer Austausch zwischen der Projektleitung und dem Führungsgremien führt zu einem ehrlichen Statusbericht. Das Ampelsystem kann hier als hilfreiches Tool und Kommunikationsmittel eingesetzt werden und verhindert den Wassermelonen-Effekt.