Die Entwicklung eines perfekten Ladenhüters
Was ist schiefgelaufen, wenn ein vermeintlich «grossartiges» Produkt beim Kunden nicht ankommt?
von Roland Kämpf, Mai2022
Wir haben ein «grossartiges» Produkt!
Die Entwicklungsabteilung hat sich besonders ins Zeug gelegt und war überzeugt, ein grossartiges Produkt geschaffen zu haben. Vor allem das Design wurde immer wieder in den Vordergrund gestellt. Sowohl die Technik wie auch der Verkauf waren sich einig: «Dies wird ein Renner».
Rasch wurde ein Prototyp entwickelt und zusammen mit dem Vertrieb wurden entsprechende Dokumente (Flyer, Preisliste, Technisches Datenblat usw.) erstellt und den Händlern verteilt.
Alle dachten: «Jetzt geht die Post ab»
Die nachfolgenden Verkaufsgespräche fühlten sich jedoch sehr harzig an und der erwartete Erfolg blieb aus. Es konnten zwar einige Abschlüsse getätigt werden, aber die Zahlen lagen weit unter den Erwartungen. Bald stellte sich die Frage: «Wieso verkauft sich dieses Produkt so schlecht»? Erste Analysen zusammen mit dem Verkauf und dem Händlernetz brachten keine befriedigenden Antworten. Es dauerte einige Zeit, bis man die entscheidenden Antworten erhielt. Erst als man das Gespräch mit potenziellen Nutzern (Enduser) suchte, kamen die Gründe ans Licht. Während die Technik und der Vertrieb das elegante Design als absoluten Verkaufsschlager bewerteten, sah dies der Nutzer als Nachteil. Der Nutzer stellte den Gebrauch und die Langlebigkeit in den Vordergrund. Er sah in diesem Design die Gefahr der Beschädigung und fürchtete sich vor den damit verbundenen Reparaturkosten.
Was ist schiefgelaufen?
Als die Anforderungen für das neue Produkt erarbeitet wurden, tauschte man sich nur innerhalb der Unternehmung aus. Der Entwicklungsabteilung genügte es bereits, dass die eigene Verkaufsabteilung nichts auszusetzen hatte, was erfahrungsgemäss selten vorkommt. Damit glaubte man die grösste Hürde übersprungen zu haben.
Gerade wenn man vorwiegend im B2B Geschäft tätig ist, läuft man Gefahr, dass der Draht zu den Nutzern (Endverbraucher) verloren geht. Damit verbunden fehlt das wertvolle Feedback aus praktischer Hand. Nicht selten kommt noch der Zeitdruck dazu. Dieser Zeitdruck kürzt so manches Entwicklungsvorhaben ab und verhindert oft genug den Erfolg.
Was kann man besser machen?
Selbst wenn man noch so viel Erfahrung hat, lohnt es sich den Einsatz der Produkte vor Ort genau zu beobachten. Es bringt wenig, das Design des Produkts toll zu finden, wenn der Nutzer dies als nachteilig und damit als Grund zur Ablehnung wertet. Es hilft ungemein, wenn man möglichst in einer frühen Entwicklungsphase Kontakt mit mehreren Nutzern aufnimmt und sie um ihre Meinung bittet.
Ebenfalls denkbar ist ein sog. «Home-use Test». Man baut einen einfachen Prototyp und stellt diesen dem Nutzer zum Test zur Verfügung.
Zusammenfassung
- Stellen Sie das Design nicht über alles andere
- Nehmen Sie keine Abkürzungen im Entwicklungsprozess
- Stellen Sie die Erfahrung Ihrer Entwicklungsabteilung nicht über die praktische Erfahrung Ihrer Kunden
- Eine gewisse Portion Demut hilft bei jedem Entwicklungsvorhaben