Es ist Mittwoch, 09:00 Uhr irgendwo im Mittelland bei einem KMU im Sitzungszimmer ...

Erfolgreiche Entwicklungen werden im klaren Wissen realisiert, dass sie dem Kunden dabei helfen Fortschritte zu erzielen bei der Bewältigung seiner Aufgaben.

von Roland Kämpf, April 2022

Es ist Mittwoch, 9:00 Uhr irgendwo im Mittelland bei einem KMU im Sitzungszimmer.


Der Entwicklungsleiter Herr Sommer hat zu einer Besprechung eingeladen. Am Tisch sitzen die Herren Meier und Müller. Beides langjährige Mitarbeiter aus der Konstruktionsabteilung. 


Sommer: «Guten Tag meine Herren, ich begrüsse euch zu dieser kurzfristig einberufenen Besprechung. Wie ihr der Einladung entnehmen konntet, geht es darum, ein neues Produkt zu entwickeln. Ich hatte letzte Woche eine Besprechung mit dem CEO, an welcher wir über meine Jahresziele gesprochen haben. Dabei stellten wir fest, dass wir beim Thema Neuentwicklung zu wenig konkret waren. Wir haben die Zielsetzung zu schwammig definiert. Wir haben uns dann geeinigt, dass er von mir in 2 Wochen ein klar definiertes Entwicklungsvorhaben auf dem Tisch haben will». 

Meier: «was für ein Produkt soll denn entwickelt werden»? 


Sommer: «Das ist es ja gerade. Wir haben dies zu wenig genau definiert». 

Müller: «Geht es um eine Neuentwicklung oder um eine Weiterentwicklung an einem bestehenden Produkt»? 

Sommer: «Das können wir selbst bestimmen. Es geht im Wesentlichen darum, dass wir mit dieser Entwicklung am Markt erfolgreich sind und damit unseren Umsatz steigern können. 

Meier: «Und wie sollen wir nun vorgehen»? 

Sommer: «Ihr kennt ja das Prozedere, Meilensteinplan, Kostenschätzung, Lastenheft, Pflichtenheft…». 

Meier: «Ja, aber zuerst müssen wir ja wissen was wir überhaupt entwickeln wollen».

Müller: «Wir könnten unseren XR120K etwas moderner und leichter machen».

Sommer: «Das ist eine gute Idee. Dann lasst uns starten. Ihr wisst ja, wie das geht». 

Als Herr Sommer wieder in seinem Büro sass, dachte er: «Das war jetzt nicht wirklich professionell. Ich hätte dies besser vorbereiten sollen. Es ist nicht so, dass ich nicht wüsste, wie so etwas geht. Aber ich habe schon genug Pendenzen auf dem Tisch und um 13:00 findet bereits die nächste Sitzung statt und ich habe noch nichts vorbereitet. Die Jungs wissen schon was sie zu tun haben. Die machen das nicht zum ersten Mal».

 

Einige Wochen später, der Entwicklungsauftrag ist benennt, der Meilensteinplan und das Budget wurden vom CEO frei gegeben.


Die Herren Meier und Müller sitzen beisammen und diskutieren nun über die Ausformulierung des Lastenhefts. 

Müller: «Wir können ja nicht einfach schreiben, leichter und moderner. Wie können wir das ins Lastenheft integrieren»? 

Meier: «Wir nehmen doch einfach die technischen Daten des aktuellen XR 120K und ändern anschliessend zwei drei Spezifikationen». 

Müller: «Wir setzen das Sollgewicht hinunter und ändern das Material von Aluminium auf Carbon. Carbon ist zurzeit der neuste Trend. Da können wir sicher punkten». 

Meier: «Das tönt gut, das machen wir so. Schreibst du die technischen Daten auf. Ich erstelle noch ein passendes Massbild dazu». 

Müller: «Ja das mache ich, aber jetzt muss ich gehen ich muss noch etwas organisieren für heute Abend. Meine Kollegen kommen zum Fussballabend vorbei und ich muss noch Getränke und Snacks besorgen». 

Im Einkaufsladen angekommen, ist Herr Müller mit seinen Gedanken immer noch am bevorstehenden Entwicklungsauftrag. 

Irgendwie lässt ihm das keine Ruhe. Die Gedanken drehen sich teilweise wie auf einem Karussell. Das geht ihm alles etwas zu schnell. Gerade als er die Getränke in seinen Einkaufswagen stellt und sich zur Kasse begeben will, stösst er mit einem anderen Einkaufswagen zusammen. 

«Hoppla, junger Mann. Nicht so hastig». Ein elegant gekleideter Mann, um die 60, schaut ihm dabei freundlich in die Augen. 

Müller: «Bitte entschuldigen Sie, aber ich habe es eilig und ich bin mit den Gedanken bei einer anderen Geschichte. Auf Wiedersehen und sorry noch einmal». 

Ohne etwas sagen zu können schaut der angerempelte Mann, wie sich der offensichtlich gestresste junge Mann davon macht. Draussen auf dem Parkplatz treffen sich die beiden wieder, da ihre Fahrzeuge nebeneinander parkiert sind. 

Der ältere Mann: «Wieso sind Sie so in Eile»? 

Da platzt es aus Herrn Müller heraus. Er erzählt ihm die ganze Story mit dem Entwicklungsauftrag, dem Lastenheft und dem Fussballabend. Dazu komme noch, dass seine Frau krank ist. 

Als Müller fertig war sagt der Mann: «Beim Fussballabend und bei der kranken Frau, kann ich Ihnen nicht helfen, aber beim Entwicklungsauftrag könnte ich behilflich sein». 

Müller: «Das wäre toll, aber jetzt habe ich leider keine Zeit. Ich muss nach Hause sonst verpasse ich das Fussballspiel». 

Der Mann übergibt dem immer noch aufgewühlten Herr Müller eine Visitenkarte und sagt ihm, er soll ihn morgen gegen 16:00 Uhr anrufen. Dann könnten sie über das Thema reden. Kaum ausgesprochen setzt er sich in seinen Wagen und fährt fort, ohne dass Herr Müller noch etwas sagen konnte.

Am nächsten Tag im Büro, als Herr Müller am Kaffeeautomaten die Espresso-Taste drückt, kam ihm die Begegnung vom Vortag in den Sinn. 


Er kramt die Visitenkarte aus der Hosentasche und beginnt zu lesen: Felix Winter; Mentor für Produktentwicklungen. 

Müller: «Hoppla, der könnte uns vielleicht wirklich helfen».

Herr Müller konnte es fast nicht erwarten bis es endlich 16:00 Uhr war. 

Herr Winter meldet sich sofort und grüsst freundlichst. 

Winter: «Erzählen Sie mir von diesem Entwicklungsauftrag». 

Herr Müller erklärt ihm, dass sie den Entwicklungsauftrag selbst bestimmen durften und sie sich für eine Weiterentwicklung eines ihrer bestehenden Produkte entschieden hätten. 

Winter: «Wie sind Sie vorgegangen»? 

Müller: «Wir haben einen Meilensteinplan erstellt, die Kosten ermittelt und sind nun daran ein Lastenheft zu erstellen». 

Winter: «Was genau war die Intension, einen solchen Auftrag zu starten»? 

Müller: «Wir müssen mehr Umsatz machen». 

Winter: «Und wieso wollen Sie dies mit einer Weiterentwicklung eines Ihrer bestehenden Produkte machen»? 

Herr Müller erklärt ihm, dass dies der einfachere Weg sei und man schon lange mit neuzeitlichen Materialien und neuem Design arbeiten wollte.

Winter: «Und das sehen Ihre Kunden auch so»? 

Müller: «Ich denke schon, dass unsere Kunden an modernen Materialien und neuem Design Freude haben werden.» 

Winter: «Kommt dieses Vorhaben aus einem klaren Kundenbedürfnis heraus? Können die Kunden damit ihre Aufgaben besser lösen und damit mehr Geld verdienen»? 

Herr Müller stockt und meint: «So genau haben wir dies nicht besprochen. Der Kunde ist doch immer an etwas neuem interessiert. Ich weiss jetzt nicht genau wie Sie das meinen». 

Winter: «Etwas neues bedeutet nicht zwingend einen Fortschritt für den Kunden beim Lösen seiner Schwierigkeiten und erfüllen seiner Aufgaben». 

Müller: «Ich verstehe immer noch nicht ganz, worauf Sie hinauswollen». 

Winter: «Auf die neusten Trends aufzuspringen, ist noch kein Garant für erfolgreiche Entwicklungen. Erfolgreiche Entwicklungen werden im klaren Wissen realisiert, dass sie dem Kunden dabei helfen Fortschritte zu erzielen bei der Bewältigung seiner Aufgaben. Einzig darum geht es. Wenn dabei neue Trends helfen, spricht nichts dagegen». 

Müller: «Jetzt verstehe ich langsam was Sie meinen. Und wie kommt man an diese Informationen»?

Winter: «Indem Sie versuchen, die Aufgaben Ihrer Kunden genau zu verstehen und dies zu Ihrer Hauptaufgabe machen. Dieses Verstehen, führt zu den Produkten, welche im Markt erfolgreich sind. Wenn Sie dies verinnerlicht haben, sind Sie der Konkurrenz immer einen Schritt voraus». 

Müller: «Wie gehen wir vor»? Herr Winter macht den Vorschlag, dass man sich zusammen mit dem Entwicklungschef an einen Tisch setzt und die Geschichte bespricht und das Projekt neu lanciert.

Müller: «Dies ist ein guter Vorschlag. Ich bin überzeugt, dass mein Chef gerne mitmacht. Der hat zurzeit so viel um die Ohren, dass er froh um jede Hilfe ist».

Wochen später, nachdem die Kundenbedürfnisse genau herausgearbeitet und verstanden sind, wurde der Entwicklungsauftrag neu aufgegleist. Damit stand einer erfolgreichen Entwicklung mit entsprechendem Mehrwert für den Kunden nichts mehr im Weg.