Die Mitarbeitergespräche sind in vollem Gange und die Führungskräfte arbeiten auf das vorgegebene Ziel hin, sämtliche Gespräche bis Ende März abgeschlossen zu haben. Um den Prozess zu starten, wurden die entsprechenden Dokumente und Checklisten freigegeben und verteilt. Damit scheint alles in Ordnung zu sein…

So muss es doch gelingen!

Der Geschäftsführer: «Bei uns finden die Mitarbeitergespräche jeweils Ende Jahr statt, deswegen nennen wir sie Jahresendgespräche. Sie beginnen jeweils im November und müssen Ende März abgeschlossen sein. Für diese Gespräche stehen entsprechende Dokumente zur Verfügung.»

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HR-Mitarbeiterin: «Wir verschicken jeweils die Dokumente mit den jeweiligen Namenslisten an die entsprechenden Vorgesetzten. Darunter gibt es ein Dokument mit Hinweisen zur Durchführung solcher Gespräche. Im Anschluss der Gespräche erhalten wir die unterschriebenen Dokumente zurück. Da wir die ganzen Beurteilungen noch von Hand ausfüllen, ist eine statistische Auswertung leider nicht möglich.» 

Oh weh.

GL-Mitglied: «Mich stört am meisten, dass unser Chef immer wieder die Wichtigkeit solcher Gespräche betont, es jedoch nicht für nötig erachtet mit uns GL-Mitgliedern diese Jahresendgespräche zu führen. Er begründet dies so, dass wir ja im laufenden Jahr genügend Gespräche führen würden, so dass ein solches Gespräch nicht mehr nötig wäre.»

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Mitarbeiter A: «Ich sehe ein, dass solche Mitarbeitergespräche wichtig sind. Mich interessiert jedoch am meisten, ob ich mehr Lohn erhalten werde. Mein Chef sagt immer, dass dies kein Lohngespräch sei und ich zu einem späteren Zeitpunkt erfahren würde, wie hoch mein Lohn im kommenden Jahr sein werde.»

Es geht doch.

Mitarbeiterin B: «Ich schätze die Offenheit mir gegenüber. Ich fühle mich wertgeschätzt, wenn mein Chef nicht nur meine Stärken, sondern auch meine Entwicklungspotentiale sieht und unterstützt.»

Offenheit und Vertrauen
Offenheit setzt die Bereitschaft voraus, ehrlich und transparent zu kommunizieren, seine Gedanken, Gefühle und Informationen mit anderen zu teilen. Offenheit allein kann Vertrauen nicht garantieren, aber sie legt den Grundstein dafür, indem sie Raum für ehrliche Interaktionen schafft. Vertrauen muss man sich als Führungsperson erarbeiten durch Fachkompetenz, Zuverlässigkeit, Integrität und eine konsistente Vorbildhaltung.

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Mitarbeiterin C: «Ich weiss nicht, wo mein Chef diese Bewertungen jeweils hernimmt. Der sieht ja gar nicht, wie ich genau arbeite. Wenn ich dann nachhake und wissen will, wie er auf diese Bewertung kam, bezieht er sich auf Aussagen von Teammitgliedern. Ich fühle mich nicht gerecht bewertet.»

180-Grad-Feedback
Nebst dem eigenen Bild das man vom Mitarbeitenden hat, gibt es die Möglichkeit mittels einem 180-Grad-Feedback, verschiedene Perspektiven einzubeziehen und damit ein umfassendes Bild zu erhalten. Dabei können die gesamte Belegschaft, direkt Unterstellte, aber auch die Kundschaft oder sogar Zulieferer mit einbezogen werden. Falls die Beurteilungen hauptsächlich aus Aussagen Dritter bestehen, werde ich als Führungsperson zum Nachrichtensprecher. Dann muss ich mich ernsthaft fragen, ob ich die richtige Person bin für dieses Gespräch, oder ob ich zumindest noch jemanden einbeziehen sollte.

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Mitarbeiter E: «Mein Chef nörgelt immer an mir herum und will mich ändern. Er akzeptiert nicht, dass ich so bin wie ich bin.»

Persönliche Entwicklungen benötigen seine Zeit
Bertrand Piccard schreibt in seinem Buch «Spuren am Himmel»: [ ] Jeder Mensch kann nur das Ergebnis all dessen sein, was er vorher erlebt hat, und es ist nutzlos zu erwarten, er werde anders reagieren als nach den Gewohnheiten, die sich in seinem bisherigen Leben herausgebildet haben[ ].
Um Gewohnheiten zu ändern, kann es helfen Mitarbeitende in ein neues Umfeld (Team/Abteilung) zu bringen, damit sie neue Reaktionsmuster erlernen können.

Vorbilder oder Mentoren könnten helfen.

Vorgesetzter A: «Ich bin seit knapp einem Jahr Teamchef und musste neu diese Gespräche mit meinen Teammitgliedern durchführen. Ich habe dies zum ersten Mal gemacht und fühlte mich ziemlich unsicher in meiner Rolle. Ich wusste nicht genau wie ich dies anpacken soll. Meinen Chef konnte ich nicht zum Vorbild nehmen, da mich das Mitarbeitergespräch mit ihm nicht überzeugt hat.»

Vorbilder

Irgendwann ist es immer das erste Mal, Sie sitzen vor dem Bewertungsbogen und fragen sich: «Wie soll ich dieses Gespräch angehen?». Es hilft, wenn man diesem Thema bereits in der Aus- und Weiterbildung begegnet ist. Dies alleine hilft einem beim Sprung ins kalte Wasser jedoch nicht. Idealerweise greift man auf ein Vorbild zurück, man erinnert sich an die Gespräche mit seinem Chef. Was, wenn gerade diese guten Beispiele fehlen? Möglicherweise gibt es in der HR-Abteilung erfahrene Mitarbeiter, die einem helfen können oder man sucht sich externe Hilfe, beispielsweise bei einem erfahrenen Mentor.

Abstimmung der Timeline sieht anders aus.

Vorgesetzte B: «Ich möchte die Mitarbeitergespräche jeweils frühzeitig beginnen, so dass die meisten Ende Jahr abgeschlossen sind. Das ist aber nicht möglich. Die Geschäftsleitung schafft es nicht, die übergeordneten Ziele rechtzeitig zu verabschieden, damit wir die Ziele für unsere Mitarbeitenden daraus ableiten können.»

Vielleicht einmal nur die Abweichungen zum letzten Jahr besprechen.

Vorgesetzter C: «Ich hasse diese Gespräche. Ich arbeite seit über zehn Jahren hier und frage mich manchmal, was ich meinen langjährigen Mitarbeitenden eigentlich noch sagen soll. Das Gespräch ist häufig eine Wiederholung vom letzten Jahr. Ich kann es an ihren Gesichtszügen ablesen, dass sie ähnlich empfinden. Ich frage mich manchmal, ob es nicht besser wäre, gemeinsam ein Bier trinken zu gehen.»

Die Geschichte hinter den Mitarbeitenden
Bei den meisten Jahresendgesprächen geht es hauptsächlich um die Beurteilung des Mitarbeitenden durch die Führungsperson. Da kommen Eigenschaften wie: aufmüpfig, hilfsbereit, unkonzentriert, effizient, unzuverlässig und vieles mehr zur Sprache. Dies beschreibt einzig das WIE eines Mitarbeitenden, also wie nehme ich die Person wahr. Mit dieser Erkenntnis alleine, kann ich keinen Entwicklungsprozess anschieben. Es fehlt das WARUM. Warum ist jemand unzuverlässig, aufmüpfig? Wie kam er zu seinen Gewohnheiten? Um dies herauszufinden, muss ich den Mitarbeitenden seine Geschichte erzählen lassen. Erst wenn ich die Geschichte eines Mitarbeitenden kenne, finde ich heraus warum jemand beispielsweise aufmüpfig ist. Erst danach kann ich Kritik, Feedback, Wertschätzung anbringen und Entwicklungspotentiale aufzeigen.

Verständlich formulierte und überprüfbare Ziele vermeiden unnötige Diskussionen.

Mitarbeiter D: «Die Zielsetzungen, die ich von meinem Chef erhalte, sind ein absoluter Witz. Die meisten sind so allgemein formuliert, dass sie nicht messbar sind. Dann gibt es solche, die ich gar nicht direkt beeinflussen kann. Damit sind unendliche Diskussionen darüber, ob sie erfüllt sind oder nicht, absehbar.»

Bei zu grossen Emotionen das Gespräch unterbrechen oder verschieben.

Vorgesetzter E: «Ich führte kürzlich ein Gespräch, da gingen bereits beim ersten Bewertungspunkt die Emotionen hoch. Der Mitarbeiter hat sich bereits während meiner ersten Bewertung dermassen aufgeregt, dass ich gleich zum nächsten Punkt überging, in der Hoffnung die Lage beruhigen zu können. Da er sich jedoch nicht beruhigen konnte, fühlte ich mich gezwungen, das Gespräch zu beenden. Am nächsten Tag sprach ich ihn darauf an. Es stellte sich heraus, dass er seit geraumer Zeit einen privaten Konflikt mit sich herumtrug und ich quasi stellvertretend dafür hinhalten musste. Wir vereinbarten dann in der kommenden Woche einen neuen Termin für das abgebrochene Gespräch.»

Fazit

In den über 20 Jahren, in denen ich Mitarbeitergespräche führte, waren auch einige richtig schlechte darunter. Solche Ausrutscher, lassen sich nicht gänzlich vermeiden. Wichtig war mir jedoch immer die nachträgliche Aufarbeitung dieser Fälle. Ich fragte mich: «Wo fing das Gespräch an zu kippen und was war der Grund?»

Meistens lag es an folgenden Punkten:

  •  Ungenügende Vorbereitung
  •  Fehlende Bereitschaft sich auf die persönliche Geschichte des Gegenübers einzulassen
  •  Zu starke Abstützung auf Aussagen Dritter


Aus meiner Sicht sollte man sich beim Thema Mitarbeitergespräche an folgende Grundsätze halten:

  •  Ich will den Mitarbeitenden wirklich kennen lernen. Das heisst, ich lasse mich auf seine persönliche Geschichte ein. Damit erfahre ich warum jemand wie funktioniert.
  •  Schwerpunkte setzen, genau planen, welche Themen ausführlicher besprochen werden sollen.
  •  Ich erarbeite mir als Führungsperson durch Verlässlichkeit und Konsistenz im Verhalten, das nötige Vertrauen und damit den Grundstein für ein offenes und ehrliches Feedback.
  •  Ein offenes Ohr, damit die Mitarbeitenden jederzeit mit Anliegen und Fragen bei der Führungsperson vorbei gehen können.

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